Unter Schweizerfahne: Das Weingut Hans Lang von Frank Ebbinghaus

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Winzer Ernst Loosen (Dr. Loosen/Bernkastel) stammt folgende Anekdote: Anfang der 90er Jahre klingelte sein Telefon: Ein Unbekannter orderte in breitem Schwyzerdütsch einige Kisten Riesling Auslese. Loosen habe sofort aufgelegt. Denn: Ein Schweizer, der damals Mosel-Riesling bestellte – das konnte nur ein Fake sein. Hier täuschte sich der welterfahrene Winzer. Der Bittsteller war echt und ließ nicht locker bis er seinen Wein bekam. Inzwischen baut er selbst in Graubünden Riesling an, von dem er schreibt: „Mit Verlaub: Man spricht deutsch“. Es handelt sich – mit Verlaub – um Daniel Gantenbein.

Während Gantenbein Riesling-Reben in die Schweiz einführte, um dort Mosel-Riesling herzustellen, erzeugt Daniel Vollenweider, ebenfalls ein waschechter Schweizer, Mosel-Riesling an der Mosel – und zwar der Spitzenklasse.

Neuerdings zieht es die Schweizer auch in das Rheingau. Damit endet dieser etwas holprige Einstieg. Und wir sind beim Weingut Hans Lang (Hattenheim/Rheingau), das 2013 von dem Schweizer Brieftaubenzüchter und Käser (mehr Klischee geht nicht! Oder bläst er auch das Alphorn?) Urban Kaufmann und dessen Lebensgefährtin Eva Raps, der langjährigen Geschäftsführerin des Verbandes deutscher Prädikatsweingüter (VDP), übernommen wurde.

Hans Lang? Hat jeder Riesling-Fan bestimmt schon mal gehört. Aber auch probiert? Ich jedenfalls nicht, abgesehen von zwei gereiften Weinen an einem heißen Berliner Sommerabend nach einer anstrengenden Rotweinprobe. Sie schmeckten mir nicht, aber das zählt nicht. Stuart schreib über dieses Weingut in seinem Buch „Die führenden Winzer und Spitzenweine Deutschlands“, Econ Verlag, Düsseldorf 1997: „Hans Langs Weine sorgen nur selten für Schlagzeilen und sind vielleicht nicht unbedingt der Stoff, aus dem die Träume sind, aber sein Betrieb ist eine zuverlässige Quelle für gut gemachte trockene Rheingau-Rieslinge …“. Eine gute Begründung, warum die Weine bisher unter meinem Radar blieben.

Jetzt aber haben Urban Kaufmann und Eva Raps ihren ersten Jahrgang erzeugt und gleich eine den Aufbruch schon optisch bezeugende Sonderedition aufgelegt. Das Etikett ziert die Farben der Schweiz auf goldenem Grund sowie den Namenszug „Kaufmann“. Und ein Wein heißt auch noch „Tell“ oder, wenn man den Schriftzug auf dem Etikett als zusammenhängenden Text liest: „kaufmann tell Rheingau Riesling“, was ja, wenn man von einer kleinen Konjugationsschwäche des Englischen absähe, eine echte Ansage wäre.

Aber großes Gedöns ist nicht die Sache des Jungwinzerpaars. Sie gehen es bescheiden an: Keine gigantischen Investitionen, kein pompöser, von einem flying winemaker kreierter neuer Weinstil. Urban Kaufmann und Eva Raps sind ins kalte Wasser gesprungen (am Rand hielt der freundschaftlich verbundene Hans Lang den Rettungsring bereit). Mit schweizerischer Bedachtsamkeit gehen sie Schritt für Schritt voran, um Weine zu machen, die sie mögen und für typisch Rheingau halten: „klar, präzise und elegant“.

Drei Weine sind so bisher entstanden. Sie sollen zeigen, wohin die Reise geht. Und das tun sie auch, wenngleich recht unterschiedlich. Der 2014 Kaufmann Rheingau Riesling empfängt einen mit seinem feinen Bratapfelduft, die kräftige Säure ist gut integriert, eine zarte Mineralität lädt ein zum Trinken – ein erfrischender Wein, der allerdings auch etwas einfach ausgefallen ist und nach drei Tagen aus der offenen Flasche genossen zunehmend rustikaler wirkt und abbaut.

Einen Quantensprung stellt der 2014 Kaufmann Tell Rheingau Riesling aus Hattenheimer Spitzenlagen dar. Der Wein hält eine kühle, jederzeit elegante mineralische Spannung, wie man sie sich von trockenen Rheingau-Rieslingen wünscht. In der Nase ein Hauch gelber Früchte und ein sehr feiner Anflug von Süße, die von reifen Trauben stammt. Ansonsten ist der Wein zunächst etwas zugeknöpft, zeigt aber unter Lufteinfluss noble, kühle Steinfrucht und einen sehr animierenden mineralischen Abgang. Nach einer Woche schmeckt der Tell nach Mirabellen und einer hellen, an Tabak erinnernde Würze, die sich mit der präsenten mineralischen Säure bestens verbindet. Der Tell hat Potential.

Eindeutig in der Liga der Großen Gewächse (GG) spielt der 2014 Kaufmann Wisselbrunnen Riesling. Es ist ein Wein, der sich mit Schweizer Bedächtigkeit (um dieses Klischees jetzt totzureiten) am Gaumen entwickelt und vor einem langen Leben steht. Dieser Spitzenwein ähnelt dem Tell, nur weist er eine weit höhere Komplexität und Tiefe aus. Auch hier sind die Aromen gelber Früchte im Moment mehr zu erahnen als zu schmecken, aber sie sind einen Tick reifer als beim Tell (der Wisselbrunen hat 12,5% Alk., die beiden anderen Weine je 12 %), aufgrund einer geradezu steinigen, aber nicht aufdringlichen Mineralität ist das Geschmacksbild noch nobler. Die mineralische Säure trägt alles, sie ist nie spitz und gibt dem Wein trotz seiner Reife und Kraft auch Zartheit und Tiefe. Nach einer Woche hat sich der Wisselbrunnen in der halbvollen Flasche im Schneckentempo weiterentwickelt. Er duftet nun deutlich nach gelben Pflaumen ohne zu viel Süße, entwickelt am Gaumen eine feine Würze sowie eine vibrierende Lebendigkeit und Vielschichtigkeit. Mit 25 Euro pro Flasche ab Hof ist der Wisselbrunnen für Rheingau-Verhältnisse recht fair bepreist (der Rheingau Riesling kostet ab Hof 9,50 Euro, der Tell 16,50).

Hier zeigt ein Jungwinzerpaar eine deutliche Handschrift. Diese ersten Ergebnisse sind umso beeindruckender als der Jahrgang nicht eben einfach war. Urban Kaufmann und Eva Raps sollten den eingeschlagenen Weg, elegante klassische Rheingau-Rieslinge zu erzeugen, entschlossen weitergehen. Der Hitze-Jahrgang 2015 hält die nächste große Herausforderung bereit.

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