Weintelegramm 103

Sehr geehrter Hendrik Hering (SPD, Minister für Wirtschaft, Verkehr , Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz)! +++ Leider konnten Sie gestern Abend nicht zur INTERNATIONAL RIESLING RESCUE in Restaurant Hot Spot in Berlin-Wilmersdorf kommen.+++ Damit haben Sie nicht nur das hervorragende chinesische Essen und viele sensationelle Mosel-Rieslinge aus den von dem Hochmoselübergang und der B50-neu bedrohten Spitzenlagen verpasst, sondern möglicherweise auch einen entscheidenden Moment Ihrer eigenen Karriere. +++ Bei diesem Anlass hätten Sie sich nämlich bei Hugh Johnson, Grand Seigneur der englischsprachigen Weinjournalisten, für Ihren Brief vom 11. Dezember 2009 an ihn entschuldigen können und die zahlreichen anwesenden Journalisten über Ihre Haltung zum Grundgesetz aufklären können. +++ Wie auf Seite 3 der FAZ vom 8. April 2010 berichtet wurde, haben Sie meinen Kollegen Johnson in diesem Brief dringend gebeten, künftig ausschließlich über die Arbeit der Moselwinzer und ihre Weine zu berichten und nicht über dieses Bauvorhaben, obwohl es eine einmalige Kulturlandschaft zerstört (Stichwort: Wehlener Sonnenuhr, der Kölner Dom des deutschen Weins), verkehrstechnisch Unsinn ist und etwa 5000 Jobs in der betroffenen Region bedroht. +++ Als Rechtsanwalt muss Ihnen bewusst sein, welche Tragweite dieser Brief hat: Sie haben von einem Journalist die Selbstzensur verlangt. +++ Aus meiner Sicht ist das ganz und gar nicht mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar: Grundrechte, Artikel 5, (1), „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten … Eine Zensur findet nicht statt.“ +++ Sie haben als Minister nicht im Sinne der deutschen Verfassung gehandelt und sich damit in dringende Erklärungsnot gebracht. +++ Ich verlange von Ihnen ein unverzügliches, eindeutiges Bekenntnis zum Grundgesetz und zur Pressefreiheit, sonst ist Ihre Position als Minister unhaltbar und Sie müssen zurücktreten. +++ Falls Sie versuchen sollten, dies alles als Geringfügigkeit ohne Belang abzutun, sehe ich meine journalistische Freiheit in diesem Land ernsthaft bedroht und muss diese schlechte Nachricht meinen Kollegen in aller Welt mitteilen. +++ Die Selbstzensur von Journalisten ist z.B. die Hauptmethode, mit der die chinesische Regierung die Medien im Reich der Mitte lenkt +++ Auf www.freedomhouse.org können Sie lesen, dass China Platz 181 von 195 beim 2009 Ranking der Weltpressefreiheit belegt +++ Wollen Sie Deutschland allen Ernstes in diese Richtung bewegen? +++ Momentan belegt Ihr Heimatland und meine Wahlheimat Platz 18. +++ Sehr geehrte Julia Klöckner (CDU), Sie treten dieses Jahr im rheinland-pfälzischen Wahlkampf gegen Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) an. +++ Beim Politischen Aschermittwoch am 17. Februar 2010 haben Sie im CDU-Kreis Bernkastel-Wittlich folgende Worte gesagt: wir stehen für Zukunft, nicht für Prestige-Projekte. +++ Das finde ich sehr gut, weil der Hochmoselübergang eindeutig auch ein Prestige-Projekt von Kurt Beck ist, das Tourismus und Weinbau an der Mittelmosel massiv bedroht. +++ Zum Thema Nachhaltigkeit hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 25. März 2010 auf der Intervitis-Messe in Stuttgart bewegende Worte gesprochen: Verantworten wir Zukunft oder verbrauchen wir Zukunft? Das ist eine Frage politischer Entscheidungen und materieller Entscheidungen, aber es ist auch eine Frage der Moral. +++ Gerne hätten wir Sie, Frau Klöckner, gestern Abend gefragt, wie Sie zu den Worten der Bundeskanzlerin in diesem ganz konkreten und dringenden Fall stehen. +++ Aber auch Sie haben unsere Feier der großartigen Mosel-Rieslinge und der über 1700 Jahre alte Kulturlandschaft, in der sie wachsen, verpasst. +++ Jetzt bitte ich um Klarheit, auch moralische Klarheit.

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