Weintelegramm 51

Sonntag vor einer Woche hat mich in Berlin fast der Schlag getroffen, als ich plötzlich Martin Tesch von Weingut Tesch in Langenlonsheim/Nahe begegnete. +++ Was zum Teufel macht der rockende Dr. des deutschen Rieslings bei der VDP-Präsentation „Großes Gewächs“ im protzigen Hotel Palace, fragte ich mich. +++ Mit nur einer Mini-Menge „Großes Gewächs“ pro Jahrgang ist er nicht gerade einer der bedeutenden Erzeuger dieser neue Oberklasse des trockenen deutschen Weins (oder ist es das überteuerte Penthouse des VDPs?). +++ Mit nur 12, 3 % lag sein 2007 ROTHENBERG eindeutig an der Unterkante der Alkoholskala (14 % stand auf manche Etiketten), und mit seiner rassige Art sorgte dieser Wein entweder für Begeisterung oder Entsetzen. +++ Der Wein ist aber verdammt mineralisch und spiegelt ziemlich genau die Bedingungen in dieser Lage 2007 wieder. +++ Und genau das sollen laut VDP-Statuten die „Großen Gewächse“ tun. +++ Manche VDP-Winzer zielen dagegen immer noch auf Harmonie zwischen großer Fülle, kraftstiftenden Gerbstoffen, satten Fruchtaromen und verhaltener Säure (bitte, bitte nicht der S-Wort laut sagen!). +++ Diese süßlich-molligen Weine sind aber lebende Fossilien aus den Jahren, als auch deutsche Wein fett sein mussten, um nicht negativ auszufallen. +++ Leider laufen die allermeisten Kritiker dem aktuellen Trend zur geschmackliche Vielfalt, der in Berlin sehr deutlich zu spüren war, hinterher. +++ Ein Beispiel: Trotz einer durch Herkunft bedingten Familienähnlichkeit gab es deutliche stilistische Unterschiede zwischen den (allesamt sehr guten) Weinen aus der Lage Reiterpfad von Bergdolt, von Buhl und von Christmann. +++ Jedoch mit seinen Streben nach der niedrigstmöglichem Alkoholgehalt beim vollen geschmacklichen Ausdruck ist Tesch den meisten VDP-Winzer voraus. +++ Neulich in Geisenheim habe ich von Prof. Dr. Monika Christmann gelernt, wie die Wahrnehmung von der Weinaromatik immer stärker mit steigendem Alkohol beeinträchtig wird. +++ Ein Bewusstsein für diesen Effekt würde manche bekannte VDP-Winzer deutlich weiter bringen.

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Weintelegramm 50

Vor wenigen Tagen hat mein Leben eine neue Richtung eingeschlagen. +++ Meine Knöcheln und Waden spüren es immer noch! +++ Ich habe ein Drittel „meiner“ ca. 400 Müller-Thurgau-Reben in der Lage Tauberzeller Hasennest(le) im Taubertal geschnitten. +++ Die Parzelle gehört Hermann Schneider aus Tauberzell, ist an den Winzerhof Stahl in Auernhofen (www.winzerhof-stahl.de) verpachtet und schlappe 68 Prozent steil. +++ Als ich mit der Arbeit anfing, schwebten einige Schneeflocken in der Luft, und es war minus zwei Grad Celsius. +++ Mein „Lehrer“ Christian Stahl ist glücklicherweise sehr gut, und ich habe die wichtigsten Punkte schnell begriffen. +++ Ich schneide Flachbogen, das heißt schneide alles an einjährigem und zweijährigem Holz weg außer einer Rute, die bis zur nächsten Rebe entlang des untersten Drahts flach gezogen wird. +++ Zuerst muss ich aber das andere Zweidrittel der Reben schneiden und das abgeschnittene Rebholz aus dem Drahtrahmen herausziehen. +++ Das wird dann klein geschnitten und bleibt auf dem Boden liegen, wo es für Langzeithumus sorgt und Nährstoffe zurück in den Boden führt. +++ Der steinige Muschelkalkboden rutscht bei der Arbeit häufig unter den Füßen weg und ist für den Muskelkater verantwortlich.+++ Das war aber nur der Anfang eines arbeitreichen Jahres, bis ich (hoffentlich) etwa 500 Liter füllfertigen trockenen Weißwein habe. +++ Über dessen Verkauf werde ich keinen Cent verdienen, sondern den Gewinn zu 100 Prozent an „Wein hilft“ (HIV/AIDS Projekte in Kapstadt) spenden. +++ Mein Ziel ist es, das, was ich bei der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim gelernt habe, in die Tat umzusetzen. +++ Und auch zu versuchen, einen Wein wie den 2008 HASENNEST vom Winzerhof Stahl hinzubekommen. +++ Das ist der beste trockene Müller-Thurgau, den ich je erlebt habe, straff und rassig, feinduftig und immens mineralisch. +++ Über den qualvollen Weg zu (hoffentlich) ähnlicher Qualität werde ich an dieser Stelle fortlaufend weiter berichten. +++ Aber eins ist schon klar: mein Weinjahr wird einen anderen Menschen aus mir machen!

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Weintelegramm 49

„Ich würde deine Reben nicht schneiden, bevor du gesehen hast, wie viele Augen überlebt haben“, riet mir Dr. Randolf Kauer mit ernstem Ton im Hörsaal 20 der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim. ++++ Das kann man einfach feststellen, indem man das Rebholz schneidet, es in warmes Wasser stellt und abwartet, wie viele Augen dann tatsächlich austreiben. ++++ Um noch genauer den Zustand der einzelnen Augen einzuschätzen zu können, kann man sie aufschneiden und unter dem Mikroskop untersuchen. ++++ Kauers Angst ist dem härtesten Frost seit langen in vielen deutschen Weinanbaugebieten geschuldet. +++ So fiel das Thermometer beispielsweise in der Nacht vom 6. auf 7. Januar in Rüdesheim, wo ich unter der Woche wohne, auf minus 13 Grad Celsius – im wenige Kilometer entfernten Hallgarten sogar auf minus 17 Grad.+++ Meine Müller-Thurgau-Reben stehen im fränkischen Teil des Taubertals (siehe Telegramm Nr. 37). +++ Franken und das Taubertal haben den Ruf, besonders frostgefährdet zu sein, und Müller-Thurgau ist eine besonders frostempfindliche Rebsorte. +++ Endlich ist die Kältephase vorbei, und voller Angst habe ich Christian Stahl vom Winzerhof Stahl in Auenhofen angerufen. +++ Von ihm habe ich die Reben gepachtet, und in seinem Keller werde ich den Wein ausbauen – falls es überhaupt Trauben gibt. +++ „In Tauberzell war es nicht kälter als minus 15 Grad, und es war im Weinberg wahrscheinlich nicht ganz so kalt wie im Ort“, sagte er voller Zuversicht. +++ „Dagegen gab es an manchen Orten im Großraum Würzburg minus 22 Grad!“+++ In Randersacker/Franken hat Stahl Silvanerreben angebaut, aus denen er einige geniale 2007er erzeugt hat, aber wie viel er davon 2009 lesen wird, ist ungewiss. +++ „Es gab aber einen langsamen Temperaturabfall, und die Rebe übersteht das viel besser, als einen plötzlichen Temperatursturz“, sagt Stahl. +++ „Die Skipisten sind auch im Sommer immer wieder grün – vielleicht auch mein Reben.“

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Weintelegramm 48

Ich wiederhole mich sehr ungern, aber es gibt keine Alternative: „Shame on you Mr. Beck!“ +++ Mitte Dezember haben Sie zusammen mit Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Landesverkehrsminister Rheinland-Pfalz Hendrik Hering die Finanzierung des sogenannten Hochmoselübergangs und einen Baubeginn des Weinkulturlandschaft vernichtenden Monstrums für 2009 angekündigt +++ 1.700 Meter lang (Platz für sämtliche ägyptische Pyramiden!) und 160 Meter hoch (Platz für den Kölner Dom!) soll dieses Stück menschenverachtenden Betongigantismus sein, etwa doppelt so groß wie der A61 Moselübergang bei Winningen! +++ Herzlich willkommen zurück in der fortschrittsgläubigen Zeit des Kalten Kriegs, aus der die Planung dafür stammt – damals als „NATO-Rennstrecke“ zwischen den US-Luftstützpunkten Bitburg und Hahn +++ Über Jahre haben Sie, Mr. Beck, und Ihre Genossen die positive wirtschaftliche Auswirkung dieses geldverpulvernden Wahnsinns für das „strukturschwache Gebiet“ gepriesen +++ Neulich beim Pressegespräch haben Sie jedoch die Katze aus dem Sack gelassen +++ „Eine ideale Anbindung des Flughafens Hahn, vor allem im Cargo-Bereich“, betonten Sie – jetzt geht es um eine CARGO-Rennstrecke zwischen Benelux und dem einzigen bedeutenden Flughafen in Rheinland-Pfalz, also dem Mr. Beck-Flughafen! +++ Einige Moselaner haben mir von politischer Einschüchterung erzählt (nicht nur in dieser Sache), die definitiv verfassungswidrig ist +++ Darüber berichtet die regionale Presse nicht, sondern übt sich in Selbstzensur wie zu ganz schlechten alten Zeiten +++ Ich bin traurig für dieses demokratieschwache Gebiet, das dazu bald eine tourismusfeindliche Bauwut erleiden muss +++ Die Langzeitfolgen für Spitzenlagen wie die Wehlener Sonnenuhr sind ungewiss +++ Das Dumme ist, ohne Moselhochübergang käme die Mosel durch eigene Kraft im Bereich Wein und Tourismus weiter gut voran +++ Aber offensichtlich wollen Sie, Mr. Beck, Ihre weiterhin uneingeschränkte politische Männlichkeit mit mächtig viel Beton unter Beweis stellen +++ Dieses Stück Infrastruktur braucht das Land nicht!

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Wein des Monats – Januar 2009

Tempranillo
2007 “Ó“ Camparrón Selección, € 4,95 vom Rindchen’s Weinkontor

Viele Weintrinker wollen unbedingt ganz einfache Regeln wie „Die besten Weinschnäppchen sind immer weiß“ oder „Nur beim Winzer wird man nicht abgezockt“ und „Portugal ja, Spanien nein“. Im Extremfall führt diese an sich durchaus verständliche Sehnsucht nach einer simplen Lösung für den Weineinkauf zum starren Verlangen nach dem Wein. Aber den Wein, der allen schmeckt, die beste Preis-Leistung darstellt und gleichzeitig zu allen nur erdenklichen Speisen passt, den gibt es nicht. Er existiert vor allem deshalb nicht, weil die Geschmäcker verschieden sind, weshalb es sich denn auch (seit Jahrtausenden!) bekanntlich nicht darüber streiten lässt.

Aber Wein-Regeln werden uns ständig angeboten, wie neulich von Master-Sommelier Hendrik Thoma unter www.welt.de/lifestyle. Auf die Frage, ob es einen guten roten Hauswein unter 5 Euro gebe, antwortete er, „Für diesen Preis gibt es kein Erlebnis, sondern nur Wirkung.“ Hendrik, Du bist ein erfahrener Fachmann und ein sehr netter Kerl, aber diese Worte riechen nach Snobismus. Über die Reaktionen solltest Du Dich nicht wundern, vor allem nicht über die von Weinhändler Gerd Rindchen organisierte Blindprobe am 4. Dezember im Restaurant Poletto/Hamburg, bei dem 20 Experten eine ganze Reihe Rotweine für unter 5 Euro aus dem Rindchen-Sortiment als „gut“ bewerteten.

Auf Grund einer endlosen Grippe habe ich eine Weile gebraucht, um diese Weine zu kosten aber jetzt muss ich dem Ergebnis eindeutig zustimmen. Mein Favorit unter diesen Weinen ist der großzügige 2007 „Ó“ Camparrón Selección von Bodegas Francisco Casas in spanischen Toro-Gebiet. Er duftet nach warmer Erde und bietet viel Erdwärme im Geschmack, aber auch Kraft, Frucht und Charakter. Kurz gesagt, auch für mich ist er wirklich gut. Nochmals ein sehr guter und günstiger Wein von Gerd Rindchen, der bei der Suche nach solchen Gewächsen ein heißer Kandidat für den Deutschlandmeister ist.

Rindchen’s Weinkontor
Zentrale: Ellerhorst 1
D 25474 Bönnigstedt
Tel: +49 (0)40 / 55 62 02-0
E-Mail: info@rindchen.de
Internet: www.rindchen.de

Weingut: Zum Wein des Monats bei Rindchen’s Weinkontor

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Weintelegramm 47

Es ist morgens halb neun, ich sitze im Hörsaal 30 und frage mich, ob Prof. Monika Christmann zu ihrer Vorlesung kommen wird oder ob sie auch krank ist. +++ Seit dem 1. Dezember schleppe ich mich als Halbleiche mit Grippe in die Vorlesungen, und meine Telegramm-Produktion ist drastisch gesunken. +++ Aber heute sah ich im Badezimmer-Spiegel endlich wieder wie der alte Stuart Pigott aus, und nach knapp drei Monaten als Gasthörer an der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim ist die Zeit reif, um eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. +++ Es war auf alle Fälle eine gute Entscheidung, noch einmal die Schulbank zu drücken. Und dafür war es trotz meiner 48 Jahre nicht zu spät. +++ Viel Halbwissen habe ich in den letzten Wochen ausrangiert und mit festerem Stoff ersetzt. Danke vor allem an Dr. Dieter Hoppmann (für die Demontage meiner unstimmigen Vorstellung vom Weinbergskleinklima) und an Prof. Dr. Christmann (für die Beseitigung meiner Vorurteile gegenüber dem mechanischen Vollernter). +++ Auch viele wichtige neue Aspekte habe ich kennengelernt. +++ Danke an Prof. Dr. Hans R. Schultz (für den Überblick über die Bildung und Einlagerung von Inhaltstoffe in der Beere) und an Prof. Dr. Otmar Löhnertz (für die Einblicke, wie Rebe und Mensch gleichermaßen von den obersten 30 Zentimeter des Bodens abhängen). +++ Viele andere wichtige Momente sind aber kaum zu beschreiben und haben mit der überraschenden Offenheit bestimmter Studenten und Professoren zu tun. +++ Sie haben mich – ein äußerst unpraktischer Mensch – überzeugt, dass ich eine gute Chance habe, nächstes Jahr im Taubertal einen besonderen Wein zu erzeugen. +++ Ich werde einige unkonventionelle Sachen ausprobieren. +++ Man ist erst frei, wenn man keine Angst mehr hat ausgelacht zu werden. +++ Und ein teurer trockener Müller-Thurgau aus dem Taubertal (das nicht mal ein offizielles Weingebiet ist) erscheint vielen „Weinkenner“ noch als ziemlich lächerlich! +++ Prof. Christmann ist nicht gekommen, die Studenten driften aus dem Hörsaal. Ich gehe nach Hause und mache mir weiter Gedanken über meinem Weinberg!

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Weintelegramm 46

Eins ist klar: Zoli ist schuld, und ich bin ihm dafür dankbar. +++ Ich wollte zur Fete in den „Bananenkeller“, eine Verballhornung von Rhenanenkeller, dem Keller unter dem Haus der studentische Verbindung „Rhenania“ in Geisenheim. +++ Es war nach dem „Jamsession“ am Dienstagabend, einer Blindverkostung von Spätburgundern, und wir waren partyreif. +++ Ich war auf dem Fahrrad unterwegs, und plötzlich fuhr Zoli Heimann neben mir und fragte mich, wie ich es schaffe, jeden Tag zu schreiben. +++ „Disziplin!“, lautete mein ernüchternde Antwort, „aber auch Spaß an der Sache“, fügte ich hinzu. +++ Diese Ergänzung war wichtig, weil mein I-Pod „Voodoo Chile“ von Jimi Hendrix durch meinen Kopf fegte, was nicht gerade zum Thema Selbstdisziplin passt. +++ Viele der besten Weine der Spätburgunder-Blindprobe hatten auch nicht gerade gezügelt geschmeckt, vor allem Zolis Beitrag aus eignem Familiengut in Szeksárd/Ungarn. +++ Dieser Wein wurde von der Gruppe als, „unglaublich traubig“, „duftet nach schwarzem Tee“, „extrem saftig und überhaupt nicht schwer“ bejubelt. +++ Dann wurde aufgedeckt, und sämtliche Kinnläden fielen weit herunter: Es war gar kein Spätburgunder, sondern der Wein stammte von der ungarischen Kadarka-Traube! +++ „Ich will ein Blog schreiben, was ist dabei wichtig?“, fragte mich der radelnde Kadarka-Meister. +++ „Ein Story hat ein Anfang, eine Mitte und eine Ende“, plapperte ich leicht alkoholisiert zurück. „Und jede Story hat auch eine Hauptfigur, und in diesem Fall bist das du.“ +++ Ein wenig verblüfft schaute er mich an. +++ „Wenn du nicht nur einer von über 100 Millionen Blogger sein willst, muss du einen Nerv beim Leser treffen!“, sagt ich ihm. +++ Heute Vormittag kam ich mit klarem Kopf in meinem nächsten Buch ein wirklich gutes Stück weiter, höchst zufrieden und beglückt mache ich mich auf den Weg in die 13-Uhr-Vorlesung.

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Weintelegramm 45

Auf dem Fensterbrett vor mir liegt in meiner Rüdesheimer Studentenbude eine „Felco classic“-Rebschere. +++ Sie wurde mir vom Spitzenwinzer Paul Fürst aus Bürgstadt in Franken geschenkt, als ich ihm von meinem Plan, zwei Semester lang Weinbau an der Fachhochschule in Geisenheim zu studieren und dann selber ein Wein zu erzeugen, erzählte. +++ Die Müller-Thurgau-Trauben in meiner Parzelle in die Lage Taubenzeller Hasennest im Taubertal werde ich erst Oktober 2009 ernten, aber davor gibt’s eine Menge Arbeit zu bewältigen. +++ Die Rebschere erinnert mich daran, schaut mich täglich an und scheint zu sagen „Mich wirst du bald in die Hand nehmen müssen, Junge!“ +++ Vor einer Woche habe ich in der Vorlesung von Prof. Hans R. Schultz den Zeitpunkt dafür gewählt. +++ Wegen seiner niedrigen Winterfrosthärte soll Müller-Thurgau spät geschnitten werden. +++ Das bedeutet konkret: die Woche nach dem Valentinstag-Wochenende im nächsten Jahr. +++ Ich werde schon zwei Wochen früher ins Taubertal reisen, um etwas Übung im Umgang mit meiner Rebschere zu bekommen und um mit meinem Verpächter Christian Stahl von Winzerhof Stahl in Auernhofen/Franken über die Bewirtschaftung des Weinbergs zu reden. +++ Gerne würde ich biologischen Anbau praktizieren, aber Dr. Beate Berkelmann-Löhnertz hat mich neulich in ihrer Vorlesung zum Thema „Pflanzenschutz und Prognoseverfahren“ zum Nachdenken gebracht.+++ Kupfer – das Biomittel gegen den Peronospera-Pilz – ist auch ein Bakterozid und hat damit eine negative Wirkung auf Bakterien im Boden, bzw. das Bodenleben; das Heiligtum der Ökowinzer! +++ Klar, der Ökowinzer spritzt Kupferpräparate auf die Reben nicht auf den Boden, aber natürlich tropft immer etwas ab und Regen wäscht das Präparat vom Laub ab … +++ Jetzt bin ich am grübeln, schaue die Rebschere an und höre meine alte Braun-Alarmuhr ticken.

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Weintelegramm 44

Heute Mittag gab es ein Erdbeben im Hörsaal XXX der Fachhochschule in Geisenheim. +++ Es ereignete sich während der Vorlesung von Prof. Hans R. Schultz zum Thema „Minimalschnitt“. +++ Das Bewirtschaftungssystem aus Australien, das die Weinberge wie ein Dschungel in Reihen aussehen lässt, erforscht Schultz seit 1995. +++ Das Beben fand in unseren Köpfen statt, weil Schultz´ Schlüsse unsere Vorstellung von Weinbau total erschütterten. +++ Denn trotz für das ordnungssüchtige Winzerauge chaotische Aussehen der Weinberge führt dieses Bewirtschaftungssystem bei Sorten wie z .B. dem Riesling zu erstaunlichen Ergebnissen. +++ Als im Herbst 2006 Essigstich in den Weinbergen Geisenheims auftrat (wie an vielen anderen Orten in Wein-Deutschland auch), gab es bei den Minimalschnittanlagen keine Probleme! +++ Durch dieser System fallen Triebe, Blätter, Trauben und Beeren alle kleiner aus als normal, bzw. die Trauben sind lockerer und daher wesentlich gesünder.+++ Hinzu kommt, dass solche Weinberge nur 64 Arbeitsstunden pro Hektar im Jahr benötigen, konventionell-maschinell bearbeitete Weinberge dagegen 275 Stunden! +++ Am Ende der Vorlesung war Schultz umringt von Studenten, die mehr darüber wissen wollten. +++ Offensichtlich verstanden die Studenten – mich eingeschlossen – den minimal-gesteuerten Reb-Dschungel als zukunftsträchtiges System für den Qualitätsweinbau. +++ Gestern Abend habe ich Schultz in seinem Büro aufgesucht, um ihm mein Weinbauprojekt vorzustellen. +++ Er fand nicht nur mein Vorhaben einen Müller-Thurgau mit dem Format eines Ersten/Großen Gewächses zu erzeugen hochspannend. +++ Auch mein Vorbild, der 2007 HASENNEST MÜLLER-THURGAU von Weinzerhof Stahl hat ihn mächtig beeindruckt. +++ Zitat: „Der Wein ist ein Hammer!“ +++ Christian Stahl war auch Student beim Schultz und setzt seine Ideen konsequent um.

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Wein des Monats – Dezember 2008

Grauburgunder trocken
2007 „Bonus“ Grauburgunder trocken € 4,70 vom Weingut Helmut Geil

Vergiss Pinot grigio, den Oberlangweiler unter den Weißweinen im Supermarktregal! Das Verfallsdatum der einst so modischen Lösung aus Wasser, etwas Alkohol, seifig weicher Säure und kaum spürbarem Traubenaroma ist endgültig abgelaufen. Jetzt wollen wir Weine aus dieser Traube – die in Frankreich Pinot gris heißt und im deutschsprachigen Raum Grauburgunder genannt wird – mit Geschmack, Frische und Harmonie! Es soll auch erkennbar sein, dass die Trauben dafür an einem real existierendem Ort gewachsen sind und ein bestimmter Mensch sie gefühlvoll zu Wein verarbeitet hat.
In diesem Fall heißt er Peter Geil und ist noch Weinbau-Student an der Fachhochschule in Geisenheim/Rheingau, auf der gegenüber liegenden Rheinseite von Rheinhessen, wo die Weinberge seiner Familie liegen. Ich habe ihn kennengelernt, weil ich dort bis Anfang Juli nächsten Jahres studiere und wir zur gleichen Weinverkostungsrunde gehören. „Jamsessions“ nenne ich diese Blindproben, die jeden Dienstagabend an wechselnden Orten in Geisenheim und Umgebung stattfinden.
Der „Bonus“ Grauburgunder von Peter Geil duftet nach reifer Melone und ist wie sein Erzeuger kein Riese, aber doch ein richtig starker Charakter. Noch besser: Er ist überhaupt kein süßlicher oder seifiger Schmeichler, sondern lebendig und trocken. Das macht ihn zu einem tollen Essensbegleiter. Stellt das Wasser für die Nudeln auf und rührt im Saucentopf, ich kriege Hunger! Noch feiner und eleganter ist Geils ebenfalls ganz trockener 2007 „Melior“ Grauburgunder für 6,50 Euro die Flasche. Da drin steckt die Zukunft des deutschen Weins, und sie schmeckt tatsächlich geil!

Weingut Helmut Geil
Am Römer 26
D 55234 Monzernheim/Rheinhessen
Tel: +49 (0)62 44/ 2 20
E-Mail: weingut-helmut-geil@t-online.de
www.weingut-helmut-geil.de

Weingut: Weingut Helmut Geil

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